5. Januar – Als Matrose auf See und das Winterexperiment

Uwe ist seit 46 Jahren Matrose, 16 Jahren hat er davon auf der Polarstern verbracht. Heutzutage gibt es die Ausbildung zum Matrosen nicht mehr; die beiden Azubis an Bord sind angehende Schiffsmechaniker, d.h. sie werden für Arbeiten an Deck (wie die Matrosen) und zusätzlich auch an den Maschinen ausgebildet. Die Ausbildung dauert 2,5 bis 3 Jahre. Zu Uwes Team an Deck gehören 7 weitere Matrosen sowie ein Zimmermann. Ihre Vorgesetzten sind der Bootsmann (Koordinator für Arbeiten an Deck und im Laderaum) und der 1. Nautische Offizier. Die Matrosen arbeiten wie die Wissenschaftler, zu zweit in Schichten von zwei mal vier Stunden am Tag. Hinzu kommen noch zwei Stunden Zuarbeiten an Deck. Je nach Länge der einzelnen Fahrtabschnitte ist die Schiffs-Crew zwischen zwei und drei Monaten auf See. Die jetzige Crew ist am 13. Oktober in Bremerhaven an Bord gegangen und fliegt mit uns nach Ankunft in Punta Arenas (18. Januar) nach Deutschland zurück. Die Polarstern wird ein paar Tage später zum nächsten Fahrtabschnitt aufbrechen, d. h. die neue Crew wird von Deutschland eingeflogen und übernimmt die Arbeiten ab Punta Arenas. Uwe und seine Kollegen haben dann bis März frei. Dieses Jahr wird die Polarstern den ganzen antarktischen Winter über (in unserem Sommer) im Süden bleiben und das sogenannte Winterexperiment durchführen. Normalerweise wird im antarktischen Winter, wenn es hier kalt und dunkel ist, in der Arktis geforscht. Uwe freut sich auf das Winterexperiment, denn er findet den Süden noch schöner als den Norden, denn hier unten gibt es Pinguine, mehr Robben als in der Arktis und die prächtigen Eisberge.
Während ihren Wachen bedienen die Matrosen das Hebezeug, Kräne und Winden, und unterstützen die wissenschaftlichen Arbeiten im technischen Bereich. Uwe und Hartmut haben die gleiche Schicht wie Nina und ich. Sie helfen uns bei der CTD, indem sie die Winde steuern und die CTD, auf unsere Anweisung, bis zum Grund fieren bzw. wieder an die Oberfläche hieven. Wenn wir nicht auf Station sind (d.h. keine wissenschaftlichen Messungen durchgeführt bzw. Geräte ausgebracht oder eingeholt werden) gibt es für die Matrosen Entrostungs- und Konservierungsarbeiten (z.B. Winden der Rettungsboote, Deckaufbauten, o.ä.), Werterhaltung der Rettungseinheiten (z.B. Erneuerung der Drahtseile), Abschmierarbeiten (alle beweglichen Teile werden nach einem genauen Abschmierplan in Stand gehalten) und Spülarbeiten (Entfernung von Meersalz, welches mit der Gischt überall auf dem Schiff verteilt wird). In den Aufgabenbereich der Matrosen fällt auch der Wachdienst: Kontrollgänge durchs Schiff und Ausschau auf der Brücke (Kontrolle der Anzeigen auf Störungsmeldungen wie zum Beispiel Feueralarm). Somit kann auf Störungen sofort reagiert werden.
Auf die Frage, was Uwe vermisst, hatte er zunächst keine Antwort parat, da er das Leben auf See gewöhnt ist und sich die Bedingungen über die letzten Jahre zunehmend verbessert haben. Früher war es kaum möglich Kontakt zur Familie zu halten, da man weder e-mailen und nur bedingt telefonieren oder telegraphieren konnte.  Auch wenn Uwe fast nur jedes 3. Jahr mit seiner Familie Weihnachten feiern kann und die langen Trennungen schwer sind, mag er seinen Beruf und ist zufrieden. Manchmal wünscht er sich deutsches Fernsehen an Bord, doch bis die Technik diesen Wunsch ermöglichen kann, wird Uwe schon in Rente sein.

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Foto: Das Dream-Team vom Windenleitstand und Arbeitsdeck der 04-08 Uhr/16-20 Uhr Schicht. Von links nach rechts: Nina, Uwe, Sabine, Harald.

Mehr Informationen zum Winterexperiment:
AWI Pressemitteilung (www.awi.de)
Das sogenannte Winterexperiment bildet den Höhepunkt einer insgesamt 18 Monate langen Expeditionsreise auf der Südhalbkugel und wird das Schiff, seine Besatzung und die 54 Wissenschaftler an Bord von Kapstadt, Südafrika, in das antarktische Weddellmeer führen. „Wir wollen auf dieser Fahrt zwei grundlegende Forschungsfragen untersuchen: Die erste lautet: Welche Mechanismen lassen das Ökosystem des Südpolarmeeres nach dem langen, kalten und äußerst dunklen Winter wieder zum Leben erwachen? Und die zweite: Aus welchen Gründen nimmt die Ausbreitung des antarktischen Meereises leicht zu, während die Meereisbedeckung in der Arktis stetig zurückgeht?“, sagt der wissenschaftliche Fahrtleiter Prof. Dr. Peter Lemke vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in der Helmholtz-Gemeinschaft.
http://www.awi.de/de/aktuelles_und_presse/pressemitteilungen/detail/item/winter_experiment_in_antarctic_sea_ice_planned/?cHash=d537c5dbca7ab9bd5d093c4e61abdaee

Video der Helmholtz-Gemeinschaft, ein Interview mit Prof. Dr. Peter Lemke (AWI)

10-Minutenwerte der Bordwetterwarte vom 05.01.13 11:11 UTC

  •      Lufttemperatur    -2.0    °C
  •      Wassertemperatur    -1.7    °C
  •      Luftdruck    999.8    hPa
  •      Luftdruck, reduziert    1002.1    hPa
  •      Wahre Windgeschwindigkeit    4.5    m/s
  •      Wahre Windrichtung    210.6    °
  •      Relative Windgeschwindigkeit    7.8    m/s
  •      Relative Windrichtung    337.4    °
  •      Relative Luftfeuchte    96    %
  •      Globalstrahlung    306    W/m²
  •      Höhe Wolkenuntergrenze    4516    ft
  •      Sichtweite    60711    m
  •      Position/Länge    -43.76318    °
  •      Position/Breite    -68.37602    °
  •      Schiffsgeschwindigkeit    8.4    kn
  •      Schiffskurs    254.1    °

 

2 Gedanken zu „5. Januar – Als Matrose auf See und das Winterexperiment

  1. Hallo Frau Brosch,
    wie viel kostet eigentlich so eine Reise in die Antarktis? Wer bezahlt das?
    Gruß
    Lena =D

    • Hallo Lena,
      eine Reise, so wie ich sie jetzt gerade mache, kann man gar nicht buchen. Es gehört schon eine ordentliche Portion Glück dazu, solch eine Möglichkeit zu bekommen. Ich bin in der glücklichen Situation, dass das Alfred-Wegener-Institut die Kosten für einen Lehrer pro Jahr übernimmt. Der Unterhalt für ein Schiff wie die Polarstern ist sehr teuer. Man rechnet pro Tag mit etwa 50 000 – 60 000 Euro. Wenn man die Kosten auf jeden Fahrtteilnehmer umrechnet, kommt in 7 Wochen eine ganz schöne Summe zusammen.

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