Die Polarstern hat vier Rettungsboote an Bord, zwei an Backbord und zwei an Steuerbord. Sie sind jeweils für 50 Personen ausgelegt. Falls die Krängung (Schieflage) des Schiffes zu groß sein sollte und auf einer Seite die Boote nicht mehr gefiert (abgelassen) werden können, sollten alle Menschen an Bord in den verbleibenden beiden Rettungsbooten Platz finden können. Alle drei Monate werden die Rettungsboote im Wasser auf Funktion geprüft. Ebenso muss die David-Anlage, das ist das Hebelgeschirr, welches die Rettungsboote fiert und hievt, überprüft werden. Trockentests an Deck werden wöchentlich durchgeführt. Außerdem muss darauf geachtet werden, dass die Boote stets mit allen Gegenständen, welche die Inventarliste vorschreibt, bestückt sind. Dazu gehören beispielsweise das Überlebenshandbuch, Fallschirmleuchtraketen, Kompass und Treibanker. Der Treibanker ist ein kegelförmiger Segeltuchbeutel, welcher den Widerstand im Wasser erhöht und somit zum einen verhindert, dass das Rettungsboot schnell verdriftet und zum anderes dafür sorgt, dass es mit dem Bug in der Welle bleibt. Desweiteren befinden sich 300 Trinkwasserbeutel mit einem Inhalt von je 500 ml in jedem der Rettungsboote. Die vorgeschriebene Lebensmittelration pro Person von 10 Megajoule, entspricht umgerechnet etwa dem Kilokalorienanteil von 56 Packungen Gummibärchen. Bei 50 Personen wären das insgesamt 2800 Packungen. Es sind natürlich keine Gummibärchen als Notproviant an Bord, sondern hochkalorische Kekse, die angeblich nicht sehr gut schmecken. Im Falle einer Havarie (Schiffsunglück) wir als erstes ein Notruf abgesetzt, über Funk und Satellit: „Mayday, Mayday, Mayday. This is Polarstern Polarstern Polarstern. Delta Bravo Lima Kilo“ (offizielles internationales Rufzeichen), dann folgen die Koordinaten und Informationen über Anzahl der Personen an Bord sowie zur Unfallursache. Andere Schiffe, die in der Nähe sind (was in der Antarktis nicht unbedingt gegeben ist), sind zur Hilfe verpflichtet. Das gehört zur ‚guten Seemannschaft‘. Die Notrufe gehen aber auch bei Rettungskoordinationszentren ein, beispielsweise in Bremen. Von dort wird Hilfe organisiert. Von unserer aktuellen Position (65’54° südliche Breite, 33’54° westliche Länge) sind es ca. 1400 Seemeilen bis zum nächsten Hafen. Dieser ist in Punta Arenas, im Süden von Chile. Da kann es durchaus ein paar Tage dauern, bis Hilfe eintrifft. Aus diesem Grund, sollen sich die Rettungsboote möglichst nahe an der Unfallstelle aufhalten, da diese Koordinaten übermittelt wurden und die Suche in der Regel dort beginnt.
Heute war zum Glück kein Notfall, sondern nur eine Übung. Das schöne daran war, dass wir mitfahren durften! Das war ein ziemlich aufregendes Ereignis. Wir waren zu 16. in unserem Rettungsboot, ausreichend Platz für jeden. Ich kann mir kaum vorstellen wie eng es sein muss, wenn 50 Leute darin Platz finden müssen. Wir waren auch in der glücklichen Situation, dass wir die Luken öffnen konnten, da weder Sturm noch hoher Wellengang herrschte. Florian hat uns gekonnt mehrfach um die Polarstern herumgefahren. Wenn er zur Luke hinausschauen möchte, muss er im Stehen fahren und mit dem Fuß lenken. Das sah recht witzig aus, hat aber bestens funktioniert! Zum ersten Mal hatte ich die Möglichkeit meine Hand ins antarktische Wasser zu halten. In den ersten Sekunden und wenn man nur die Fingerspitzen hinein hält, erscheint es gar nicht arg kalt, obwohl wir momentan eine Wassertemperatur von -1,9°C haben. Während unseres Kurztrips, war das amerikanische Filmteam mit dem Heli unterwegs. Sie haben uns und die Polarstern immer wieder umkreist und sicherlich schöne Aufnahmen von den Rettungsbooten vor dem Schiff bei leichtem Schneefall gemacht. Die Polarstern mal aus einer anderen Perspektive zu sehen war ein ganz fantastisches Erlebnis. Seit wir unterwegs sind, waren wir ja nur ein paar Mal kurz von Bord, entweder zur Tankwache auf dem Schelfeis oder zum Besuch der Neumayer-Station. Aber jetzt konnten wir wirklich das Schiff aus allen Blickwinkeln und vor einer schönen Kulisse mit dunkelblauem Wasser, Eisschollen und Schnee, mit Rettungsbooten und Heli bewundern. Wieder mal ein unbeschreiblich aufregendes Erlebnis!
10-Minutenwerte der Bordwetterwarte vom 30.12.12 19:51 UTC
- Lufttemperatur -3.6 °C
- Wassertemperatur -1.9 °C
- Luftdruck 996.0 hPa
- Luftdruck, reduziert 998.3 hPa
- Wahre Windgeschwindigkeit 7.2 m/s
- Wahre Windrichtung 212.3 °
- Relative Windgeschwindigkeit 7.2 m/s
- Relative Windrichtung 0.6 °
- Relative Luftfeuchte 89 %
- Globalstrahlung 134 W/m²
- Höhe Wolkenuntergrenze 1000 ft
- Sichtweite 62655 m
- Position/Länge -28.92264 °
- Position/Breite -70.84509 °
- Schiffsgeschwindigkeit 0.0 kn
- Schiffskurs 211.5 °
Was wird bei den Tests der Rettungsboote genau geprüft? Und wie fühlt es sich an wenn man das erste Mal in einem dieser Rettungsboote eingeschlossen ist??
Wie ist das Essen eigenlich an Bord?